In Sachsen daheim, in der Welt zu Hause. So bin ich neugierig und aufgeschlossen Jahr für Jahr unterwegs interessante Menschen kennen zu lernen, Orte zu entdecken und Spaß am Reisen zu haben. Read more Sachsen, Deutschland
  • Day 5

    Unter dem Meer

    September 17, 2023 in Wales ⋅ 🌧 18 °C

    Es regnet. Den ganzen Tag soll immer wieder ein Regenschauer durchziehen oder es nieselt. Ich überlege am Vorabend wie und wo ich das am erfolgreichsten abwettern kann und entscheide mich am Abend das trübe Hochland der Brecon Beacons durch den Nationalpark gen Süden zu verlassen. Vorbei an einigen Megalithen und Menhiren aus der Vorzeit, über alte Römerstraßen und mit Zwischenhalt an Orten an denen römische sowie frühchristliche Geschichte sich verknüpfen. Friedhöfe. Zwischen vielen tausend Jahre alten Eichen stehen oft verwittert noch Steinplatten oder Steinkreuze. Doch was muss passieren damit jemand einer Steinplatte aus dem fünften Jahrhundert etwa zehn Generationen später ein eigentlich viel älteres vorchristliches Steinkreuz aufsetzt? So etwas kurioses gibt es wieder nur in Britannien. Frei nach dem Motto ‚wenn du die Lebenden suchst, schau mal auf dem Friedhof nach‘ treffe ich auf einen Herren vollgepackt mit Taschen und Einkaufstaschen und mit ihm auch den einzigen im ganzen Dorf. Er findet gut dass ich mich für die Geschichte von Wales abseits der Touristenpfade interessiere und gibt mir gleich drei Anlaufstellen wo ich mich erkundigen könne was es mit diesen rätselhaften Grabsteinen auf sich hat. Allein sie liegen in der Richtung wo ich her komme und heute Abend arbeitet dort sowieso keiner mehr. Er sieht bald aus als suchte er einen Schlafplatz. Jedoch schafft er es den Friedhof ebenso lebendig wieder zu verlassen und steht bald an einem Bushäuschen an dem schon lang kein Bus mehr zu halten scheint.

    Es regnet immer noch. Doch an den Küsten von ‚the gower‘ weht ein warmer Wind und bläst den Nieselregen weiter ins Landesinnere. Mein Plan geht auf! Am Morgen beginnt gerade das Spiel der Gezeiten und für mich ein ungeahnter Wettlauf gegen die Zeit. Doch anfangs merke ich davon nichts. Ein Spaziergang zur ‚three cliffs bay‘ offenbart herrliche Aussichten auf das Meer, die Bucht, den immer größer werdenden Sandstrand und die Erkenntnis das selbst jetzt am frühen Morgen eine Hand voll Waliser nicht etwa mit Hund zum Strand spazieren kommt sondern zum Baden in den tieferen Teil des Kanals steigt und ein wenig schwimmen möchte. Von Weitem höre ich bloß das die Hälfte der Gruppe das heute zum ersten und auch zum letzten Mal macht. Oberhalb der steilen Klippen weht ein kräftiger Wind über die immergrünen Schafweiden. Was die Tiere jedoch oft hinterlassen ist ein fast perfekter Rasen und jede Menge Tretminen.

    Etwa zwei Stunden später gelange ich an den äußersten Zipfel von ‚the gower‘. In der Nähe von Rhossili erhebt sich bei Flut aus dem Wasser ein majestätischer Drachenschwanz den man bei tiefer Ebbe begehen kann. Nachdem ich nun von oben schon nass wurde kommt es auf das von unten nun auch nicht mehr an. Durch die einsetzende Ebbe öffnet sich eine Landzunge, die ich übermütig wie ich bin als groß genug einschätzen würde. Doch die Küstenwache gibt den Wanderweg erst gegen Mittag frei wenn das meiste Wasser abgelaufen und die Muschelbänke nicht mehr rutschig sind.

    Zwischen einigen Felsen springe ich von der Küstenlinie hinab und suche mir einen Weg durch das Labyrinth an scharfkantigen Felsen, stehengebliebenen Wasserpfützen, rutschigen Algen und nicht zuletzt auch Miesmuschelbänken. Vom Rand sieht das alles so leicht aus. Doch durch die Sohlen meiner Halbschuhe merke ich jede Einzelne. Und erst jetzt wenn ich zwischendrin stehe wird mir bewusst wie weit ich bei Flut eigentlich schon unter dem Meer stünde. Bis die Flut wieder einsetzt ist ja noch Zeit, denke ich. Und der eine Kilometer Landzunge bis nach Worms Head, den bin ich im Nu auch wieder zurück gelaufen. Doch nur allzu gern lasse ich die Zeit außer Acht denn es gibt so viel Interessantes zu entdecken auf dem Meeresgrund! Nach etwa einer Stunde bin ich auf der Insel angelangt und mich begrüßen zwei Seelöwen die sich auf einem Felsen ausruhen. Vom Festland sah das alles viel kleiner aus. Vom Ende der ersten Insel erstreckt sich eine neue Landzunge zu einer zweiten und dahinter einer dritten Insel. Vereinzelt sind dort hinten ein paar Menschen unterwegs. Also auf und hinterher. Der Wind bläst kräftig und führt anstatt durchs Wasser steil hinauf über ein Felsentor. Nunja, wenn man durch den Wind darauf abrutscht fällt man wenigstens ins Wasser. Und neben an sitzen erneut ein paar Seelöwen. Die hätten dann was zu Lachen. Doch es geht alles gut. Bald sitze ich windgeschützt hinter einem Fels am letzten Ende von worms head.
    Ich genieße die Aussicht und erhole mich von den Anstrengungen. Der erste war ich hier draußen gewiss nicht. Darauf deuten einige bemalte Steine aus Corona-Zeiten. Speziell heute habe ich hier hinten jedoch auch schon lange keinen mehr gesehen. So richtig bewusst wird mir der Ernst der Lage jedoch erst als ich mich umdrehe und aus meinem Windschatten hervor komme. Der Wind hat gedreht. Die Wolken sind viel schwärzer als draußen auf dem Meer. Nicht etwa die einsetzende Flut wird mir zum Verhängnis sondern der scheinbar noch anstrengendere Weg gegen den Wind zurück. Natürlich finde ich auch noch das ein oder andere spannende Tier oder bunte Algen auf dem Meeresgrund. Erst zwei Stunden später als veranschlagt bin ich wieder zurück bei der Küstenwache. Derweil tobt sich das schlechte Wetter einmal so richtig schön aus so dass ich auch ohne Taufe bis auf die Knochen nass bin.
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  • Day 4

    Kohle zum Abgreifen

    September 16, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 17 °C

    Mit dem Rucksack unterwegs zu sein hat den riesigen Vorteil dass ich ständig draußen sein kann und dennoch mobil bin wo ich den Tag beginnen möchte. Wenn es denn mal einen Sonnenaufgang gibt dann bin ich definitiv auch zur rechten Zeit am rechten Ort. In Großbritannien ist so etwas bekanntlich seltener als ein Regenbogen.

    Heute bin ich Frühaufsteher und befinde mich mitten in den Ausläufern der Brecon Beacons. Karge Hügelketten mit etwas Heide und viel arktischer Tundra auf gerade einmal 500m Höhe. Und dem ersten Regenbogen dieser Reise. Aber zuvor blicke ich über die weiten Täler unter mir in denen noch der Morgennebel hängt und unten im Tal sicherlich den typisch grauen englischen Alltag prägt. Daraus hervor erheben sich einige Tafelberge. Als die Sonne aufgeht taucht alles in ein goldgelbes Licht. Und sogar hier am Vermessungspunkt sind die Waliser stolz auf ihren roten Drachen. Er ist das Wahrzeichen von Wales weil er über den weißen Drachen der Sachsen gesiegt hat. Ein Funken Geschichte im Spiel der Königshäuser.

    Das war dann auch das Highlight des Tages denn nun setzt Regen ein, der Erste seit fünf Tagen. Ich finde das eine Gute Quote! Aber was mach dann heute wenn doch eigentlich wandern auf der Tagesordnung stand? Zurück nach Blaenavon und ab unter Tage. In den Kohlenflözen hundert Merer unter Tage ist es zwar auch noch nass, aber nicht mehr von oben… Meeressediment und dichter Wald haben im laufe der Zeit ein dickes Kohlenflöz mit bester Kokskohle gebildet die ab 1812 angezapft wurde um den Brennstoffbedarf der Schmelzöfen in der Eisenhütte zu decken. Später war sie von besonderem Interesse da diese Kokskohle besonders Raucharm brannte. Ein Vorteil im Krieg wenn die Schiffsverbände erst viel später am Horizont erkannt wurden. 1980 machte die Mine für immer dicht bis die UNESCO daher kam und ein Besucherbergwerk entstand.
    Ich war schon viel unter Tage. Jedoch noch nie in einem Kohlebergwerk. Zu Hause wird die Kohle im Tagebau gewonnen. Erst einmal müssen wir uns völlig blank machen. Alles muss abgegeben werden was aus Metall ist. Selbst batterienetriebene Autoschlüssel, Handies und Kameras sowieso. Die Engländer übertreiben gern ein bisschen bei der Sicherheit. Hier ist es wegen dem Methan das in der Kohle natürlicherweise gespeichert ist aber wohl angebracht. Im Förderkorb geht es nach unten. Das Bergwerk ist gut ausgebaut und nicht mit den engen Erzgängen in meiner Heimat zu vergleichen. Anders als heute wurde zu Beginn des Bergbaus mit Kerzenlicht gearbeitet. Bei Kohle ist das heute gleich in doppelter Hinsicht wenig zu empfehlen. Entsprechend gab es in der Geschichte sehr viele Grubenunglücke.
    Eine Besonderheit der englischen Kohlengruben liegt in dem reichlichen Einsatz von Arbeitspferden unter Tage. Dem Grubenbesitzer waren sie mehr wert als das Leben seiner Arbeiter. In den flachen Kohlenflözen war ihr Einsatz bis zuletzt leichter als der von großen Maschinen. Mit den ersten Arbeiteraufständen im 19. Jahrhundert wurden erste Sozialleistungen eingeführt wie zum Beispiel 14 Urlaubstage im Jahr. Das galt dann automatisch auch für die Pferde und eines nach dem anderen wurde mit dem Grubenkorb nach oben geholt und durfte sich 14 Tage auf der grünen Wiese satt fressen. Ich glaube jeder kann sich vorstellen wie viele Pferde im Anschluss daran nur unter schwersten Bedingungen wieder einzufangen waren um die nächsten 50 Wochen ohne Tageslicht in der Grube zu stehen.

    Die Geschichte der Kohle ist die Geschichte Englands. Der Zusammenhalt der Kumpel, die Männerclubs, das Feierabendbier und nicht zuletzt das karge wenig imposante Leben ohne viel Besitz in den eigenen vier Waenden haben in den Kohlerevieren ihren Ursprung. Letzteres, die Unterdrückung, haben vielleicht auch schon die Könige und Burgherren zuvor perfektioniert.

    Apropos Könige: Großbrittanien hatte in den letzten siebzig Jahren Adelsherrschaft nicht nur eine Queen. Hier in Wales gab es auch einen König! Samt selbst ernanntem Königreich. Die Pässe werden noch bis heute ausgegeben, es gibt eigenes Geld und das alles auf eine Ortschaft mit 1600 Einwohnern beschränkt. Willkomen in Hay-on-Wye dem Land der Bücher! England trumpft ja eigentlich an jeder Ecke mit derart Kuriositäten auf. Natuerlich zahlen die Einwohner ihre Steuern fleißig an den Palast in London. Aus einem Werbegag der 80er Jahre wurde bis heute aber eine lebendige Bewegung. Bei einem Spaziergang durch Hay-on-Wye finde ich mehr Bücherläden als Bistros und Cafes zusammen. Meter um Meter reihen sich Bücherrücken aneinander und ziehen Heerscharen von Bücherwürmern an. Verstaubte, zerlesene, kostbare und weniger kostbare Lektüre wird sogar im Freien unter Wellblechdächern angeboten weil der Platz in den Ladenstraßen gar nicht mehr ausreicht. Es gibt alles was man auf Papier drucken kann sogar ganze Läden die nur historische Karten im Großformat anbieten. Aber auch die kleinen Spilunken wo man schnell einmal über noch nicht einsortierte Bücherstapel stolpert. Am 1. April 1977 wurde Hay-on-Wye zum >unabhängigen Königreich< erklärt, was viel eher als Aprilscherz gemeint war. 2004 erhielt der Bücherfreund und ‚König‘ Richard Booth für seine Verdienste um den wirtschaftlichen Aufstieg von Hay-on-Way als Bücherstadt tatsächlich den Adelstitel MBE (Member of the Most Excellent Order of the British Empire).
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  • Day 3

    Zeitreise im Zeichen des Drachen

    September 15, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 22 °C

    Am Abend fahre ich raus aus der Stadt. Das Umland ist voll von Großsteingräbern. Der größte hier verbaute Stein wiegt vierzig Tonnen. Wieder so eine Meisterleistung der man das Genie nicht ansieht. Es ist das Eine diesen Stein zu anzuheben und zu transportieren. Das Andere überhaupt die Idee zu haben ihn zu benutzen.
    Der nächste Morgen ermöglicht mir einen zeitigen Start. Ein kleiner Umweg führt mich an den Strand wobei ich erstmals mit diesen schier undurchdringlichen englischen Hecken zu kämpfen habe. Links und rechts nehmen sie die ohnehin schon enge Straße meterhoch in die Zange! Lavernock ist der südlichste Festlandpunkt von Wales. Die gegenüberliegenden Hügelketten liegen bereits in Cornwall. Eine erfrischende Wanderung unterhalb der Klippen offenbart dreckiges aber extrem warmes Wasser. Grüße vom Golfstrom. Oberhalb der Klippe gibt es zweites Frühstück in mitten riesiger Brombeerhecken. Das ist wie im Schlaraffenland. Denn bis auf zwei Hundegänger hat sich noch niemand hier her verirrt. Dabei ist der Ort durchaus geschichtsträchtig. Auf der wenige Kilometer vorgelagerten Insel Flat Holm steht neben unzähligen Bunkern aus dem zweiten Weltkrieg eine Radiostation. Hier wurden 1897 die ersten Radiowellen der Welt gefunkt und empfangen. Unscheinbar aber beeindruckend, wenn ich an die Anfänge zurück denke. „Are you ready?“

    Die Zeitreise geht heute indessen noch ein Stück weiter. Unweit von Cardiff liegt Caerphilly Castle. Es ist nach Windsor die zweitgrößte Burganlage Britanniens. Dieses Tal trotzte schon immer den Ansagen aus England. Bereits zu Zeiten der Römer gab es hier eine große Legion von über 7.000 Mann. Seit dem Mittelalter trotzt die Burg über das Tal und mit ihr der Walisische Drache. So besaß die Burg einen eigenen Brunnen, eine Mühle und eine Bäckerei um in Zeiten der Belagerung unabhängig zu sein. Es hilft jedoch nicht darüber hinweg dass die Drachenhöhle am Fuß der Burg etwas zu groß geraten ist und seitdem einer der Wehrtürme langsam aber sicher umkippt. Den Rekord des schiefen Turm von Pisa hat er bereits eingestellt. Nach dem zweiten Weltkrieg erlangte das Taff Valley abermals Ruhm durch seinen Käse. Zu Kriegszeiten waren alle Käsesorten außer Cheddar verboten um mehr Milch für die Soldaten bereit zu stellen. Seit 1954 nachdem die Rezepturen gut 15 Jahre nur im Verborgenen praktiziert werden durften begeht der Caerphilly als Käse seinen Siegeszug und schmeckt auch so viel besser als ein Cheddar! Der Drache steigt heute ebenfalls zu einem neuen Höhenflug auf. Als Werbefigur fliegt er über die Castles von Wales und lädt zur Entdeckungsreise ein.

    Zurück in der Gegenwart ist gerade die Schule aus und ich quäle mich durch den Verkehr. Selbst die Kleinstadt wird mir schnell zu groß und ich fahre hinaus nach Bleanavon. Über dem kleinen Ort weht ein viktorianischer Zauber. Schon 43 Jahre lang ist die Kohlezeche hier geschlossen. Zwei Drittel der Bevölkerung wanderten ab. Doch seinen Glanz und seinen Stolz hat es nie verloren. Die UNESCO entschied sich dieses Dorf zum Welterbe zu erklären. Angefangen bei der Kohle bis hin zur Eisenhütte gibt es hier 210 Jahre Industriekultur zu entdecken. Der Weg der Herstellung ebenso wie die Abgründe im Menschenhandel der Großgrundbesitzer wo ein Pferdeleben mehr aufwog als das Leben einer ganzen Arbeiterfamilie. Feiertage gab es nicht und bezahlt wurde mit Token anstatt mit Geld um die Leute an die lokale völlig überteuerte Infrastruktur zu binden und dass sie nicht wegziehen könnten. Die Arbeiter arrangierten sich und nur selten gab es Aufstände. Doch wenn dann richtig. Vielleicht ist das auch ein Grund warum die Waliser heute noch so ein eingeschworenes Volk zueinander sind.
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  • Day 2

    Cardiff - Drehkreuz und Angelpunkt

    September 14, 2023 in Wales ⋅ ☁️ 19 °C

    Wer weiß denn ohne auf die Karte zu sehen wo dieses Cardiff überhaupt liegt? Diejenigen haben in Geschichte gut aufgepasst. Die Briten sind groß im Geschichten erzählen. Sie darzustellen wird dann außerhalb von Film und Fernsehen schon schwieriger. Ich war vor einigen Jahren in Montreal als ich bei einem Couchsurfer eine BBC Serie mit anschaute die gerade die Geschichte eines riesigen Kohlegrubenunglücks nachstellte. Das spielte auch in Wales - und Cardiff ist die Hauptstadt. Vielen am ehesten noch bekannt als der größte Kohlehafen Britanniens. Aber wer weiß denn schon dass Scot von diesem Hafen aus seine Antarktisexpedition antrat? Das geschäftige Treiben und die Gunst der Kohlebarone gaben hier sehr viel Zuspruch. Und wieder fügt sich ein kleines Puzzle in dem großen Ganzen.

    Heute zeigt sich Cardiff von einer kulturell vielfältigen Musik und Kunstszene. Das Zentrum ist schnell erkundet denn Shoppingmalls und Bürohochhäuser ziehen mich wenig an. Cardiff Castle und die alte Markthalle trumpfen da schon eher zum bummeln und stöbern. Vom Bute Park laufe ich einen Umweg über das neue Regierungsviertel. Das ist schon wieder so neu dass das Parlament mittlerweile weitergezogen ist denn an der Waterfront ist es nunmal noch mehr hippster. Das Rathaus und die Nationalgalerie haben dafür umso mehr Platz für Lager und Verwaltung. Besonders der Saal mit naturnaher Kunstwerke walisischer Maler hat es mir angetan. Die Bilder stammen aus der Gegenwart und bilden zum Teil in Fotoqualität walisische Regionen ab die die Maler als die schönsten von Wales empfinden. Für mich ist das ein Reiseführer der ganz besonderen Art.

    Ich habe noch ein wenig Schwierigkeiten mich an den englischen Lebensstil anzupassen. Cafes schließen allesamt spätestens um 17 Uhr. Der Kuchen fällt damit heute aus. Dafür bleibt mehr Zeit die alte Kohlebörse und das Hafenviertel von Cardiff zu besuchen. Eine riesige Bucht aus Docks und Wasser die durch Kreideklippen vor dem offenen Meer geschützt sind. Ein wenig kommt hier die englische Mentalität zum tragen. Der Riesenradbesitzer zum Beispiel wartet seit Stunden vergebens auf Kundschaft. Er rührt sich dennoch nicht von seinem Stuhl denn es könnte ja in den nächsten 10 Sekunden etwas anderes passieren.
    Ich würde einschlafen dabei, er nicht. Appropo - in der Kunstgalerie sitzt in jedem Raum ein Sicherheitsmann. Während ich auf leisen Sohlen gehe und nicht einmal die Dielen knarren erwische ich tatsächlich einen beim Mittagsschlaf. Ein bisschen was wahres haben die englischen Gangsterfilme also doch wenn die Wachleute immer nichts gesehen haben wollen. Breites Grinsen macht sich bei mir breit und hält noch lange vor. Während andere Städte getrost umfahren werden können ist Cardiff historisch und kulturell auf jeden Fall den Zwischenstopp wert. Besonders da auf den ersten Blick viel Zeit zum Angeln bleibt während in der Stadt scheinbar schon längst Nebensaison herrscht.
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  • Day 1

    In Englands Steinzeit und zurück

    September 13, 2023 in England ⋅ ☁️ 19 °C

    Ankunft - so schnell hatte ich noch nie mein Gepäck! Doch je schneller ich auf beiden Beinen stehe desto länger dauert es bis es weiter geht. Bis in die Nacht verbringe ich damit meinen Weg zum Überlandbus zu finden. Ich muss mich an den Linksverkehr gewöhnen. Ich hatte das schon mal. In Schottland. Aber da war als Fußgänger nicht mal halb so viel Verkehr zu berücksichtigen. Ich denke es braucht zwei oder drei Tage bis ich mich damit zurechtfinde. Solange wünsche ich mir meinen großen schweren Rucksack wieder her. Er ist ein praktisches Hilfsmittel gegen prüde Autofahrer. Denn einem Packesel verzeiht man schneller wenn der ‘die Regeln nicht kennt’. Ich kann ihn aber nicht her zaubern. Er wird gerade repariert. Und für das was kommt reicht auch ein halber Rucksack.

    Auf Umwegen nach Wales. Ein erster Umweg führt heute nahe Salisbury nach Stonehenge. Denn dessen Geschichte scheint enger mit Wales verwoben als auf den ersten Blick sichtbar. Bereits vor der Morgendämmerung bin ich da, aber ich kann es nicht finden! Wer denkt England sei flach, der hat sich gewaltig geirrt. Erst als die Sonne aufgeht entdecke ich ein paar unscheinbar große Steine etwa 500m entfernt in der grünen Wiese. Im Gras versteckt und von hunderten Schafen bewacht.

    Es dauert nicht lang da mache ich vor Ort die ersten Besucher aus. Im Durchschnitt sind es täglich 9.000 also nichts wie hin bevor die alle da sind. Doch das Tor ist zu und wird von Security bewacht. Mir bleibt der Blick aus 50m Entfernung. Anfassen darf ich die Steine erst ab der regulären Öffnungszeit - in drei Stunden. Die Zeit vertreibe ich mir mit reden. Vor Ort habe ich eine Angestellte getroffen die aus Köln stammt und über den Sommer als zusätzliche freiwillige Kraft den Besucherstrom betreut. Wir reden viel über das was man bei Stonehenge nicht sieht und was das Museum auch nicht widerspiegelt. Da vergeht eine Stunde nach der nächsten wie im Flug. Dass in der Steinzeit auch Holz benutzt wurde macht es der Nachforschung heute so schwierig dass es bis auf den Sonnenwendstein und ein paar Altersdatierungen die bis 4.000 Jahre zurück reichen nichts handfestes gibt zu welchen Ritualen, Begräbnissen oder dem Kalender dieses Monument noch benutzt wurde. Vor gut einhundert Jahren fand sich unweit der Steine das heute so genannte Woodhenge. Dessen Funktion als Kalender und die Nähe zu einer archäologisch ausgegrabenen Siedlung ließ sich trotz des verrotteten Holzes leichter bestimmen als die der Steine. Als die Tore sich offiziell öffnen dauert es keine fünf Minuten bis anstatt der fünf Archäologen etwa 200 Möchtegernfotografen herbei strömen und mein morgendlicher Plausch hat ein jähes Ende.

    Ich suche denn auch zeitnah lieber das Weite und statte noch Salisbury Cathedral und den römischen Bädern in Bath einen Besuch ab. Bei lecker aber teuer!! Cappuchino und Matilda-Kuchen (30% Schokotortenboden, 60% Schokoladencreme und 10% Blockschokolade) sitze ich gegenüber dem Bädervorplatz und lausche einer Passantin wie sie dem Publikum gerade Opern vorträgt. Das ist in England zum Volkssport geworden und habe ich bereits einige Male auch auf Youtube verfolgt dass ambitionierte Straßenmusiker die sonst nicht von der Musik leben aber mit ihr - Piano spielen, Oboe, Gitarre oder was auch immer und dazu meist richtig professionell singen. Nur auf den Frack oder das Kleid geben sie so rein gar nichts.
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  • Day 184

    Die Wunder von Yucatan

    August 10, 2023 in Mexico ⋅ ☀️ 35 °C

    Zu dritt brechen wir noch halb im Morgennebel auf in Richtung Chichén Itzá. Weit bevor die Busströme aus Cancun und Merida hier eintreffen haben wir dieses Bauwunder der Neuzeit fast für uns allein. Ich muss gestehen dass die Ruinenstätte genauso wenig auf meiner to-do-Liste stand wie Machu Picchu doch wenn ich schon einmal hier bin...Dann fehlen nur noch zwei der sieben Wunder der Neuzeit und die liegen witziger Weise beide in Europa.

    Chichén Itzá ist berühmt für seine große Pyramide. Vielmehr ein Kalender als denn ein Bauwerk. Mit allen vier Seiten, dem Gebäudeaufsatz und dem Altar kommt man genau auf 365 Stufen, also eine Opfergabe für jeden Tag. Die eigentliche Opferstätte ist etwas außerhalb. Ein langer Korridor der von hohen Wänden eingerahmt ist. Viel beachtlicher finde ich die Reliefs die den unteren Teil der Mauer schmücken. Die Kultur der Maya ist weit älter als die der Inka. Historiker ordnen diese heilige Stätte ca. auf 800-1100 n.Chr.ein. Doch nirgends habe ich in Südamerika so handfertige Gesichter und Kunstwerke von Menschen abgebildet gesehen wie hier in Yucatan. Diese Kulturen waren Meister weil sie in den Techniken ihrer Zeit weit voraus waren. Einige der Tempel wurden rekonstruiert um in dem Relief als Ganzes genauso Formen und Gesichter wieder zu erkennen. Schaut man jedoch hinter die Fassaden so haben die Maya weit weniger stabil gebaut als die Inka. Wo es ging wurden Erdhaufen mit losem, rundem Geröll aufgeschüttet das überall auf der Insel verteilt ist. Guter harter Stein für die Zierfassade musste hingegen weit hergeholt werden. Die Halbinsel Yucatan ist flach. Die höchste Erhebung hat kaum 35m und der Stein ist von riesigen Höhlen durchlöchert. Das ist auch schön anzuschauen. Doch als Baumaterial taugt es wenig.

    Derweil steigt das Thermometer bis auf 38 Grad im Schatten und die Luftfeuchte liegt knapp unter 90%. Seit Tagen herrscht über weiten Teilen Mexicos Dampfsauna. Für mich ist das Grund genug diese Höhlen näher zu erkunden. Die sogenannten Cinoden sind entweder mit Grund- oder auch nur mit Regenwasser vollgelaufen. Auch in Chichén Itzá dienten sie als Brunnen für die gesamte Tempelanlage. Wo der Boden nicht ganz so heilig ist kann man heute darin schwimmen, tauchen und entdecken. Nur erst einmal dahin kommen. Cinoden gibt es zum Glück über ganz Yucatan verteilt. Einige sind touristisch erschlossen weil sie zum
    Beispiel mitten im Ort liegen. Zu anderen muss man erst fahren. In der Warteschlange an der örtlichen Cinode stehen noch bis eine Stunde vor Schließzeit mindestens dreißig Leute vor mir und warten auf Einlass. Ich entscheide mich gleich am nächsten Morgen lieber ein Fahrrad zu mieten und noch vor der großen Hitze hinaus an zwei 7km entfernte Höhlen zu fahren. Das ist nicht nur ob der Morgenstunde angenehm zu radeln sondern auch vor Ort anzuschauen. Denn die Cinoden habe ich mit ganz wenigen anderen fast für mich allein. Und ich komme wieder einmal gerade zur rechten Zeit. Denn nur am Vormittag steht die Sonne in einem Winkel dass die Strahlen direkt in das Wasser in den Höhlen leuchtet. Ein Treppe führt hinab in die Höhle. Ich stehe auf ein er Plattform oberhalb des Sees. Diese Wunderwelt erscheint mit der Sonne noch surrealer als ohnehin schon. Im See schwimmen schwarze Kois. Das Wasser reflektiert Smaragdgrün. Durch das Loch hangeln sich Luftwurzeln in die Höhle herab und lechzen nach Luftfeuchte und einem schattigen Plätzchen. Überall wird mir beim erkunden freie Hand gelassen. Ich bin selbst verantwortlich für das was ich tue. Ob ich in das kalte Wasser steige oder am Fels klettere oder einfach nur dastehe und staune. Einzige Voraussetzung. Es herrscht Schwimmwestenpflicht! In der zweiten Höhle ist das nicht anders. Hier gibt es sogar einen Aufpasser. Nicht aber etwa für die wenigen Menschen als vielmehr dass diese die bis auf den Wasserspiegel ragenden Stalagtiten in Ruhe lassen. Mächtig gewaltig! Besonders wenn ich im Wasser bin und nur mit dem Kopf gegenüber dieser gewaltigen Säule heraufschaue. Die Höhlen sind jedoch nicht allein für den Menschen geöffnet. Beim Herausgehen kommen mir gerade zwei giftig schwarz-gelb gestreifte Hundertfüßer die Treppe entgegen. Bloß nicht drauf treten!

    So vergeht auch dieser zweite Tag wie im Flug. Wieder hat es moderate Saunaverhältnisse. Und wieder gibt es außer in den Höhlen kein Entrinnen. Es weht kein Lüftchen. Es steht keine Wolke am Himmel. Der Heimweg dauert umso viel mehr länger als der Hinweg. Dabei war ich mir so sicher dass mich, gerüstet wie ich jetzt bin, auch gut und gern die Wüste auf meiner nächsten Reise ein Stück begleiten könnte. Für heute heißt es endgültig 'Abflug'. Der Flieger ist für kurz vor Mitternacht geplant und kommt fast schon selbstverständlich mit etwa anderthalb Stunden gerade aus Deutschland. Bleibt mir nur ein guter Flug und ein Wiedersehen bei der nächsten Reise.
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  • Day 183

    Yucatan light

    August 9, 2023 in Mexico ⋅ ⛅ 35 °C

    Ich bin viel herum gekommen auf dieser Reise. Gut 30.000km mit Bussen, Zügen und Schiffen. Und noch einmal Gut 1.600km zu Fuß. Dann kann ich den Heimweg jetzt nicht Schnur gerade aus einfach so antreten. Bei der Zwischenlandung in Mexico bleiben zusätzliche zwei Tage sich zu beschäftigen. Doch die Herausforderungen sind hier ganz andere. Plötzlich bin ich nicht mehr in Südamerika. Die Menschen sprechen immer noch Spanisch. Keine Frage. Doch ich begreife nicht wie sie sich sonst verhalten. Egal ob bei den Zollformalitäten Probleme auftreten weil ich nicht aus Europa sondern aus Peru einreise oder später am Busbahnhof wo jeder Angestellte mit Uniform meint er sei ein besserer Security und kann mir vorschreiben was ich darf und was nicht weil sein Vorgesetzer ihm das so erzählt hat. Diskutieren lassen mit sich die wenigsten und ich in meinem abgekämpften Zustand noch viel weniger. Die Menschen wirken auf mich willenlos und tun wenn überhaupt nur das was ihnen von oben gesagt wurde. Viel lieber tun sie gar nichts bevor sie etwas falsch machen oder mitdenken müssen.

    Nun also Mexico. Aus dem Flughafen heraus sitzt eine 38 Grad heiße Wand und fällt mit ihrem Vorschlaghammer über mich. Vor fünf Stunden war es in der Nähe zum Äquator nicht einmal halb so warm. Ich habe bald herausgefunden wo der Busbahnhof liegt. Es gibt nur drei Ausfahrten für Busse allerdings nirgends einen Eingang für Fußgänger. Der einzige "Zugang" ist von Security schwer bewacht und überall stehen Schilder von wegen "Zutritt verboten". Da gehe ich natürlich auch nicht rein. Bis mir jemand erklärt dass dies schon der richtige Eingang sei. Du kommst nur hinein wenn du dich erklären kannst was du da willst. Klasse! Als ich dieses neue Wissen eine Stunde später in der Innenstadt von Cancun erneut anwenden will stoße ich jedoch auf hatnäckige Busangestellte in Uniform. Es hat schwülheiße 38 Grad. Der Rucksack ist auf dem Rücken einfach nur zu viel und die wollen mit mir diskutieren dass ich um den ganzen Block erst außen herum laufen muss um den richtigen Eingang zu finden. In solchen Situationen verliere ich den Respekt. Ich weiß, das sollte auch anders gehen. Doch nach einigem Fluchen lässt der Angestellte mich passieren. Wenig später wird mir sogar angeboten ob mir die Hitze nicht zum Kopf gestiegen ist und ob ich nicht in dem klimatisierten VIP Bereich sitzen möchte. Mit so viel Zuvorkommen hatte ich nicht gerechnet. Mittlerweile völlig entnervt über das schlechte WLAN im Vergleich zu was ich bislang gewohnt bin kommt irgendwann mein nächster Bus und bringt mich durch die Nacht in Richtung Valadolid. Raus aus der Betonwüste am Strand hinein in ein kleines Städtchen mitten im Regenwald von Yucatan. Der Bus kommt erst spät am Abend an. In der Unterkunft wartet der Mann an der Rezeption geduldig auf mich weil er wissen will warum ich vier mal reserviert habe. "Das war ich nicht, mich gibt es nur einmal! Und hier bin ich." Wie sich herausstellt ist das langsame Internet schuld welches mich durch stoisches Nichtstun dazu verleitet hat die Seite so oft anzutippen bis sich etwas tut oder das Telefon so langsam Gebrauchsspuren aufweist.

    Im Zimmer erzähle ich noch schnell von meinen Plänen für den nächsten Tag bevor sich alles bei eiskalten 23 Grad schlafen legt. *brrr* Wir sind uns jedoch schnell einig dass wir am nächsten Morgen zu dritt aufbrechen. Ein Student aus Holland hat seinen ersten richtigen Urlaub während des Medizinstudiums und dafür hat er sich ein Auto gemietet.
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  • Day 182

    the best is ahead

    August 8, 2023 in Peru ⋅ ☀️ 23 °C

    Mit einigen Wochen Vorlauf treffe ich mich heute mit Rosio, einer detailverliebten, von Archäologie begeisterten Peruanerin aus Lima. Die erste Frage die innerlich ein bisschen Widerstand regt: kann ich in den letzten Tagen überhaupt noch so viel neuen Input verarbeiten? Immerhin bin ich jetzt schon sechs Monate stets parallel zum Reisen auf Spurensuche und habe mir etliche Zusammenhänge neu erschlossen. Ich fühle mich zudem ausgebrannt. Die Gesundheit spielt mir auf die letzten Tage einen Streich.

    Was ich aber in keinem Fall kann ist die Gastfreundschaft in Peru zu versäumen. Treffen ist also erst einmal Pflicht. Tatsächlich führt Rosio mich noch zu einigen Prachtstücken peruanischer Kultur. Götzen und Messer der Inka zählen genauso darunter wie Textilien aus Stoffen und Federn von den Nazca und den Chimú. Leider hat Peru es versäumt in seinen staatlichen Museen und archäologischen Stätten die Corona-Regeln wieder aufzuheben. Dadurch gibt es zusätzliche Ruhetage in denen die Museen in Lima untereinander auch einfach mal nichts machen wie das heute in Huaca Pucllana der Fall ist. Dieser Berg gänzlich aus Lehmziegeln bleibt heute der Entdeckung durch Bauarbeiter vorbehalten. Der Tag wird aber auch so gut gefüllt.

    Nun stellt sich für mich die Frage was bleibt und was geht? Die Reise geht so langsam zu Ende und ich sollte mich auch darauf einstellen dass zu Hause nicht alles besser ist. Aber es gibt auch so vieles dass wir daheim mehr schätzen sollten.

    Ich habe auf dieser Reise wirklich viele Kilometer zurück gelegt und unzählige Eindrücke bekommen wie verschieden die Menschen leben können. Ich habe zudem auch gemerkt dass ich mich eine Zeit lang so wohl fühle jedoch spätestens zum Ende aus meiner Haut nicht heraus kann. Wieso kann man nicht auch einfach mal nur pünktlich sein? Es gibt so vieles was nicht in das Bild des klassischen Südamerika passt. Vielleicht auch weil der komplette Kontinent seit 15 Jahren Erfahrung sich derzeit am schnellsten verändert und ich das Ursprüngliche so mag. Fortschritt zu respektieren fällt nicht immer leicht. Ich gebe meine Wurzeln nicht auf. Ich kann auch gut behaupten dass ich es nicht ablegen konnte so typisch deutsch zu denken, auf spanisch versteht sich.

    So kann ich mittlerweile getrost auf hupende Taxis und Kleinbusse verzichten. Auch wenn das Wimmelbild System zu haben scheint. Was ich wohl schon nach kurzer Zeit vermissen werde sind die bunten Röcke und die Trachten der Frauen in den Anden. Zurück in Deutschland ist dann doch alles wieder so grau und kaum einer traut sich im Alltag Farbe zu bekennen.

    Trotzdem ist es zu Hause dann nach so einer langen Reise doch am Schönsten. Die Wahrheit ist doch nicht allein was wir für Lehren aus einer Geschichte oder einer Reise ziehen. Sondern wie wir die Gegenwart dadurch gestalten. Es ist ok wenn Menschen eine Eingebung haben oder von Höherem auf einen bestimmten Weg geführt wurden dies oder jenes zu unternehmen. Aber machen müssen sie es am Ende immer noch. Es hängt von ihnen selbst ab… egal was dich also inspiriert - „just do it!“
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  • Day 181

    Circuito Magico

    August 7, 2023 in Peru ⋅ ☀️ 22 °C

    Erstmal zurück nach Lima und bloß nicht den Heimflug verpassen. Das ist oberste Devise. Ehrlich gesagt weiß ich aber gar nicht was ich in einer Großstadt soll wenn ich die letzten Tage so schon keine Städte mochte.

    In einem Buch über selbstbestimmtes Reisen, dass ich parallel gelesen habe stand dazu Folgendes: „wen hast du auf deiner Schnellwahltaste deines Telefones gespeichert?„ solange die Antwort nicht du selbst bist wie willst du dir in schwierigen Situationen helfen? Der Rat von anderen kann justieren. Machen musst du es immer noch selbst.

    Da ich auf Museen keine Lust habe und mir Gebeinehäuser und Katakomben hier auch kein schöner Abschluss erscheinen entscheide ich mich heute stattdessen für einen Wasserpark! Schließlich liegt Lima am Meer, hat eigentlich eine schöne Steilküste, nur zum Schwimmen ist die Brühe nicht geeignet.

    Ziemlich nah am Zentrum und nur einen Steinwurf vom Metrobus entfernt liegt ein Park mit zwölf Ausgängen aber nur einem Eingang der mir schon vor Huaraz ins Auge fiel. Und jetzt da die Feiertage länger zurück liegen gibt es nicht einmal eine Warteschlange am Eingang.

    Jetzt hat jeder sicher schon einmal einen Springbrunnen gesehen. Diesen Wasserpark sollte man in Lima allerdings selbst erlebt haben. Ich komme kurz vor Dämmerung. So bleibt mir einige Zeit das Areal schon im Tageslicht zu bestaunen. Wie wird das wohl erst nachher im Dunkeln sein …? Überall sind die Fontänen bunt beleuchtet und ändern alle paar Minuten ihre Form. Nachdem es Dunkel wird dauert es noch eine ganze Weile bis die Leute sich gezielt an der Fontana magica sammeln. Viele stehen gleich an der Hecke, andere sitzen weiter hinten im Graß. Stille. Vor uns hört die 120m breite Fontäne auf zu sprudeln. Plötzlich beginnen Sprühdüsen damit einen feinen Nebel herzustellen und Laser projizieren darin eine Show aus Bildern, Farben und Formen. Ich schaue mir dieses Spektakel gleich zwei Mal an. Einmal zum Fotografieren und einmal zum Genießen. Dazwischen bleibt genügend Zeit den Park und die anderen Springbrunnen zu besuchen. Es ist ein Meer aus Farben und Formen. Egal ob bunt, als weiße Pyramide oder als begehbarer Brunnen. Schön sind sie alle. Und irgendwie ein gelungener Abschluss für diese Reise. Egal was da später noch kommt.
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  • Day 180

    Die letzte Lagune

    August 6, 2023 in Peru ⋅ ☁️ 6 °C

    Am morgen ist mein Zelt gefroren, das kommt wenn man zu ehrgeizige Pläne hat und früh los will. Gestern konnte ich das schön trocken einpacken. Der Weg ist kaum erkennbar. Er schlängelt sich eher auf Viehpfaden irgendwie vom Refugio hundert meter an den Berg quer durch alle Büsche. Dann geht es durchs Graß steil im 50Grad Winkel bergauf. Zum Glück ist es kalt und die Berge spenden etwas Schatten. Sonst hätte ich diese Aktion abgebrochen und wäre gleich zurück ins Tal gelaufen. Nach bereits drei Tagen mit je 1.800m Höhendifferenz täglich fühlen sich die Beine an wie Pudding. Auf 4.900 m verliert sich der Weg wieder. Jetzt sind es noch 150Höhenmeter bis zum Pass. Ich bin froh dass ich eine leichte Kletterschule genossen habe. Gerade jetzt mit vollem Gepäck muss die wieder einmal zum Einsatz kommen. Zum Glück ist der Fels nicht vereist. Durch das freie Gelände hangle ich mich irgendwie am Abgrund entlang und erspähen am Ende sogar wieder einen Steinmann. Trotz dass ich der Karte gefolgt bin denke ich mir dass dies wohl definitiv nicht der Weg gewesen sein konnte.

    Am Ende steht der Triumph. Unter mir erstreckt sich ein weites Tal. Gegenüber der Tocllaraju und darunter die himmelblaue Lagune Akillpo. Ein Traum für Bergsteiger und in jedem Fall ein Checkpoint für das Fotoalbum. Doch der Traum währt nicht lang. Hier oben zieht es! Also geht es von nun an hinab und zurück nach Huaraz. Das sind schon noch so einige Kilometer. Und zu allem Übel hatte ich mir hier in Huaraz nur vier Tage eingeplant. Das hieße ich muss heute Abend nich ein Busticket für die Weiterfahrt bekommen. Wenn die mal nicht Mittag schon wieder alle ausverkauft sind.

    Weglos geht es Talabwärts. Es gibt Bremsen! Daher ist das Speedlimit freiwillig sehr hoch gesetzt. Nur die eigene Puste und der Energienachschub limitieren den Abstieg. Dagegen hilft auch keine Sonnencreme. Und der Mückenschutz ist natürlich wieder einmal nicht mit im Gepäck. Es ging ja so lange ohne in den Bergen.
    Im Wald hören die Bremsen wieder auf. Der weg folgt dem Wasser. Dafür kommen etliche kleine Gegenanstiege neu dazu. Das ist unfair, warum darf das Wasser runter und ich muss hoch?

    Die Zeit rennt mir davon denn ich weiß nur dass ich so schnell wie möglich vom Berg muss, zurück nach Huaraz oder irgendwo wo es ausreichend Netz gibt um nach Bustickets Ausschau zu halten. Die werden so spät sicher zu 98% vergriffen sein.
    Im ganzen Dorf frage ich nach einem Sammeltaxi dass mich 18km hinunter zur nächsten Bushaltestelle bringt. Die Leute die hier wohnen müssen sich doch auch irgendwie organisieren. Als ich gerade bei einem Bauer vorbeikomme zeigt der nur auf einen grauen Kombi der winkend eine Straßenkehre weiter unten steht. „Bist du der, der hier überall nach einer Mitfahrgelegenheit gefragt hat?“

    Juhu! Auf nach Huaraz! Nachdem ich auch noch ein Ticket ergattert habe sind alle Schäfchen im Trockenen. Spätestens jetzt ist wieder die Zeit für ausführlich Kaffee und Kuchen!
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