Hin und weg! Endlich wieder reisen und staunen. Diesmal ist nicht das Ziel der Reise so wichtig als vielmehr die Zeit. Wann sonst liegen in Spanien Schnee und goldener Badestrand, Freud und Leid und vor allem das Frühlingserwachen so nah zusammen? Read more
  • 16footprints
  • 2countries
  • 16days
  • 160photos
  • 2videos
  • 2.2kkilometers
  • Day 1

    Bitte was will ich in Malàga?

    April 3, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 13 °C

    Tag 1 - Das klingt bei vielen Reiseberichten tatsächlich nach dem perfekt durchgetakteten Ablauf. Wie im Reiseprospekt beschrieben kommt zuerst das, dann siehst du jenes, und so weiter.
    Vorne auf dem Prospekt steht in großen Buchstaben ANDALUSIEN.
    Und ich bin der Reiseleiter =)

    Andalusien ist eine spanische Provinz die wahrlich jeder dessen Highlights einmal genießt. Sonne, Strand, Palmen, das Meer. Vielleicht auch noch die Alhambra in Granada oder man fährt zum Skifahren in die Sierra Nevada.

    Der erste Tag beginnt schon am Flughafen gleich so, dass man sich wünscht es wäre doch kein Urlaubstag gewesen. Vom Taxi ausgespuckt. Anstatt einer Empfangshalle erwartet mich ein langer Gang. Jeder läuft kreuz und quer nur steht leider nirgends angeschrieben, wo man eigentlich hin muss. Willkommen in München! Ich wünsche mich nur noch weg. Gaaanz ruhig, tief durchatmen und intuitiv loslaufen.
    Scheinbar habe ich schon lange nicht mehr auf mein Bauchgefühl gehört, denn intuitiv laufe ich erstmal in die falsche Richtung. Anstatt der möglichen 30 sind es bald mehr als 1000m bis zum Check-In. Bin ich denn seit meiner letzten Reise tatsächlich so eingerostet? So fühl ich mich gar nicht. Wenngleich der Reiz dieses Mal darin besteht echt zur Ruhe zu finden, abzuschalten, zu genießen...

    Also?! Losfliegen, zwischenlanden, feststellen dass ich immer noch viel zu aufgedreht bin. Als einer der letzten Passagiere verlasse ich das Flugzeug. Mein Anschluss geht gleich in 90 Minuten. Noch vor dem Ausstieg habe ich davon schon die ersten zwanzig Minuten eingebüßt. Quer über den Flughafen. Mein Gepäck kommt definitiv vor mir an. Zufrieden und erschöpft sitze ich im zweiten Flieger und verpasse im Schlaf tatsächlich den Landeanflug. Eigentlich ist das so ein schöner Moment wenn im Sinkflug alles im Bauch kribbelt. Plötzlich setzen wir in Málaga auf und ich bin wieder hellwach. Fremdes Land, kaum spanisch Kenntnisse, kaum Vorbereitung auf das was kommt.

    ABER BITTE WIE KOMME ICH AUF DIE IDEE NACH MALÀGA ZU FAHREN?
    Ich folge meinem Bauchgefühl und ja, wieder einmal reiht sich Tag für Tag ganz bestimmt ein neues Abenteuer zusammen. Für den Augenblick kann man zusammenfassen: Es ist Nebensaison. Der Flughafen menschenleer. Die Hotelburgen verlassen. An den Häuserwänden klebt Sand vom letzten Saharasturm und die Gassen strotzen vor Staub als wäre ich schon mitten in Afrika...kein Grund hier her zu kommen.
    Málaga ist bekannt für seine Kunstszene. Picasso ist hier aufgewachsen. Mittlerweile gibt es sogar einen Ableger des Centre Pompidou aus Paris... Jedoch alles für mich kein Grund in der Nebensaison hier her zu kommen.

    Die Stadtviertel ringsum die Altstadt sind voll von Graffiti. Die Künstler unserer Zeit versuchen sich scheinbar an allen Häuserwänden. Die Tapas-Bars sind gut mit einheimischen gefüllt. Wahrscheinlich läuft auch gerade das Fußball-Sonntagsspiel. Anstatt mit Linden sind die Straßenzüge mit Feigen, Gummibäumen und Palmen gesäumt. Am Kreuzfahrt Peer liegt ein kleineres französisches Schiff. Daneben stehen ein Mann und eine Frau. Während sie versucht im Singen ihr letztes Talent zu verspielen steht er geduldig daneben, reißt ein Baguette nach dem nächsten in Stücke und verfüttert es an die Papageien im Park. Ein kurzer Blick von der Festung gibt den Blick auf den Hafen und die Kolonialbauten der Altstadt preis. Dahinter, die Kathedrale.

    Ringsherum ist um die Kathedrale alles abgesperrt. Unübersehbar bereitet sich in der Stadt alles auf die Osterfeiern in gut ein bis zwei Wochen vor. Um zur Unterkunft zu gelangen geht es den weiten Weg zurück in die Vororte. Dieser Sonntag soll ja auch nicht zu lang werden. Es ist gerade mal der Tag zum eingewöhnen. Vieles hat geschlossen, die Hektik der Großstadt bleibt aus. Überall, außer in einer Gasse! In einer unscheinbaren Einbahnstraße reiht sich ein Auto an das Nächste und tuckert geduldig bis der Erste ganz vorne endlich weiter fährt. Davor steht ein Polizist und riegelt die Straße ab.
    Ja wenn das so ist verzögert sich der Heimweg wohl noch etwas...Wir laufen auf eine strömende Menschenmenge zu bis hin zu einem Gemeindehaus das mit seinen Toren eher einer Feuerwehr ähnelt als denn einer Gemeinde in der Vorstadt. Zur gleichen Zeit trifft gerade eine Trompeten- und Trommlergruppe ein. Und hiernach Kinder, Männer und Frauen die allesamt theatralisch im Gleichschritt zum Takt der Trommler laufen. In rauen Mengen verbrennt Weihrauch. Kurz darauf tragen sie eine Jesus-Figur um die Ecke. Und noch eine, und noch eine und zum Schluss noch eine Madonna. Die Männer und Frauen der Bruderschaft tragen schwer. Zum Teil gehen sie ihren Weg mit verbundenen Augen. Zugegeben habe ich aber auch noch niemanden erlebt der berichtet hat, dass Buse ein leichter Weg sei.

    Ein jeder bereitet sich auch seine Weise auf das Osterfest vor. Und so unverhofft dieser Abend sich gestaltet, desto schöner klingt er aus. Jetzt aber heim! Der Magen knurrt. Ein paar Kilometer geht es im Laufschritt. Mittlerweile ist es dunkel und vor mir hüllt sich wieder eine Straße in Weihrauch wie zu den besten Zeiten einer guten alten Straßenschlacht. Nachdem ein kleiner Kiosk nichts zu essen bieten konnte geht es eben gleich zur nächsten Prozession.

    DAS IST ES! Dieses Lebensgefühl und diese tief verwurzelte Kultur zu Ostern. Das ist einer der Gründe genau zu dieser Zeit jetzt hier nach Málaga zu kommen. Andalusien erwacht so ganz anders im Frühling zu neuem Leben und die Reise wird definitiv ein Fest!
    Read more

  • Day 2

    Costa del Sol - das Meer hat mich wieder

    April 4, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 12 °C

    Ein Blick aus dem Fenster offenbart den Tagesablauf. Es regnet, es wird weiter regnen und es ist stürmisch. Die Costa del Sol ist bekannt als Urlauberparadies. Mindestens 300 Tage im Jahr gibt es schönes Wetter. Seit den 70er Jahren sind zehntausende Appartment-Siedlungen aus dem Boden geschossen. Jeder der es sich irgendwo in Europa leisten konnte hat hier eine Wohnung als Sommerdomizil an Europas Badewanne. Viele dieser Appartements dienen Reisenden wie mir auch als Ferienwohnung.
    Und die sind ziemlich gut ausgestattet! Lümmel-Couch mit Wifi, Badewanne für alle denen das Mittelmeer zu kalt ist oder auch die Wohnküche vom gut sortierten Gewürzschrank bis zum Saft-Mixer und nicht zu vergessen, der Wintergarten mit Blick aufs Meer! Das sind nur einige Highlights an verregneten Tagen wie heute.
    Hätten wir in Europa nicht vor einer Woche schon eine Zeitverschiebung mitgemacht wäre sie mir diesmal glaube ich gar nicht aufgefallen. Offiziell gilt überall in Spanien die MEZ wie in Deutschland auch, dennoch befinden wir uns weit westlich von London auf der Weltkarte und entsprechend geht die Sonne, wenn sie denn scheint frühestens um 8 früh auf. Sicher ist das ein Grund warum sich das spanische Leben derart nach hinten verschiebt. Vor halb zwei isst selten jemand zu Mittag und vor halb neun abends kann es sein, dass der Küchenchef noch nicht einmal den Ofen angeheizt hat.

    Die Entscheidung ist gefallen. Es geht zu einem Spaziergang an den Strand. Ja Strand, welcher Strand? denke ich. Die Hotelburgen sind an der Costa Sol bereits bis ans Wasser vorgedrungen. In keinem Ressort fehlt es selbstverständlich an einem Swimmingpool und hunderten Überwachungskameras das ja keiner den Rasen betritt. Den Spaziergängern haben sie genau einen drei Meter breiten Plankenweg übrig gelassen, der teilweise bereits auf dem Wasser verläuft. Sonst ist nirgends Platz dafür.
    Doch zum Glück finde ich auch die anderen Strände. Der Sand ist hier im Mittelmeer schwarz. Der Wind peitscht die Wellen und selbst der Nasse Sand weht über den Strand waagerecht. 'Willkommen zurück an der Nordsee'. Hier laden gefühlt nichts und niemand zum Baden ein. Plan B bestand daher in einer Runde Mittagsschlaf. Die verlief bis halb Acht und nachher einem ausgiebigen Kaffeetrinken mit leckerem Kuchen und frisch gepresstem Orangensaft. Hmmm.

    Unter diesen Bedingungen fällt Wandern aus. Für den folgenden Tag entschließe ich mich mit zwei Mitstreitern für drinnen statt draußen. Nachmittag soll ja das Wetter dann besser werden. Und hätte eine Kollegin neulich nicht so von Estepona geschwärmt, ich hätte vielleicht genug gehabt nach 60km überbordender Bebauung und kein Interesse mehr mir dazwischen auch noch etwas herrlich altmodisches anzuschauen.
    Pünktlich bei Kilometer 59 lässt der Regen nach. Ich muss zugeben ich war positiv überrascht. Die Häuser plötzlich mit Blumentöpfen bunt geschmückt, die Orangenbäume hängen voll bis hinter das letzte Blatt und keiner pflückt sie weil vielleicht jeder schon genug hat. Das ist wie im Paradies. So fast gänzlich ohne Touristen ist so eine Altstadt herrlich.
    Inmitten eines Parks ragen drei Glaskuppeln empor. Es ist die größte Sammlung die Estepona zu bieten hat, und zwar von Orchideen. Das Orchidarium beherbergt um die 1500 Orchideenarten - die größte Kollektion in ganz Europa. Darüber hinaus wachsen auf engstem Raum mehr als 5000 weitere subtropische Pflanzen, Blumen und Bäume. Es wäre schier undenkbar. Es braucht seine Zeit jede Orchidee auf sich wirken zu lassen. Wenn alle denn auch noch gleichzeitig blühten wäre das schlicht zu viel Farbe nach diesem tristen Mittelmeerabschnitt. Die Zeit verrinnt wie im Flug und ich kann mich gar nicht satt sehen.
    Read more

  • Day 3

    Die geteilte Wiege des Stierkampfs

    April 5, 2022 in Spain ⋅ 🌧 9 °C

    Geht man ein Stück von der Küste weg ist die Geschichte Andalusiens eine ganz andere. Die Provinz Andalusien zählt in Spanien zu einer der ärmsten Regionen. So verwundert es nicht dass nach nur sieben Kilometer ins Landesinnere hinein kein einziges Haus mehr steht. Plötzlich übernehmen die Berge und die Straße schlängelt sich gerade so am Berg entlang. Unter mir liegen die Hänge in dichtem Nebelwald und über mir geht karge Steppe steil bergauf bis auf 1900m.
    Nach über einer Stunde erreichen wir gefühlt das erste Haus wieder. Es ist ein Krankenhaus. Dann kann ja das nächste Dorf nicht fern sein. Halsbrecherische Gründe für ein Krankenhaus gibt es in Ronda zur Genüge.
    Stellt euch vor man steht am Rand der Berge und blickt über ein kilometerweites Tal, die Serranía de Ronda. Dazwischen erhebt sich ein Hügel auf 100-150m und darauf thront eine weiße Stadt. Was man nicht ahnt, dass die Alt und die Neustadt durch einen hundert Meter tiefen Canyon getrennt sind und die Welt hinter dem Zentrum abrupt über steile Klippen halsbrecherisch abfällt. Ein weiterer Grund für das Krankenhaus wäre vielleicht der moderne Stierkampf. Dessen Regeln entwickelten sich hier von Ronda im 18. und 19. Jahrhundert. Nach denen wird auch heute noch gekämpft. Vom Gebrauch des Tuches, dem Kampf des Toreros nicht mehr zu Pferd, sondern zu Fuß, bis hin zu Stil und Posen. Doch damit genug.
    Eine Stadt erkunde ich bekanntlich am besten zu Fuß. Kaum zu glauben dass durch die engen Gassen früher bereits Pferdewagen gepasst haben sollen und heute gar Autos. Die alte Brücke steht wie ein Fels am Eingang zur Schlucht. Dabei steht sie eigentlich nur noch weil die Spätere, die neue Brücke am Ende der Schlucht in der Vergangenheit bereits eingestürzt ist und man sicherheitshalber eines Besseren besonnen hat. Die schönen Ausblicke haben es in sich. Durch die Stadt gilt es hunderte von Stufen zu erklimmen um in die Geschichte einzutauchen. Da bedarf es nachher manchmal einiger Überredungskunst z.B. bei einer japanischen Familie, warum es lohnt eine Treppe die offensichtlich ins nichts führt dennoch herunter und nachher auch wieder rauf zu steigen nur um eine Brücke mit Wasserfall zu bestaunen. Nun ja, die neue Brücke ziert heute nicht umsonst jedes Cover dieser Stadt. Das muss man sich erarbeiten.
    Jene, die nicht so viel Zeit mitbringen sind jedoch ebenso wenig arm dran. Aussichtsterassen bieten fantastische Blicke. Die Sonne kämpft sich mit den Strahlen durch die Wolken. Ein Musikpavillion, ein Amphitheater und nicht zuletzt die Stierkampfarena laden zum Verweilen bis in den Sonnenuntergang ein.
    Ich habe mir hingegen etwas anderes überlegt. Auf der Aussichtsterasse habe ich in der Ferne gen Westen eine Kirche gesehen. Das muss ein wunderschöner Ort sein, von dort die Stadt in der Abendsonne zu sehen. Gesagt getan. 30 Minuten später unternehme ich nun doch noch glücklich und zufrieden die Erste Wanderung. Das erste Mal seit langem Olivenbäume, Sierra, versprengte Bauernhöfe, sonst nix! Wir müssen doch irgendwann ankommen? Überzeugt von mir selbst stelle ich erst viel zu spät fest, dass die Kirche auf einem anderen Hügel vorgelagert steht und ich einfach den falschen Weg genommen habe. Dennoch fühle ich mich endlich ein Stück angekommen im ländlichen Andalusien.
    Am Abend noch schnell das Essenlager auffüllen und nachher Heim fahren. Oder doch noch einen zweiten Versuch auf den Sonnenuntergang starten?
    Nochmal zurück auf Anfang, enge Gassen, Gegenverkehr, keiner traut sich zur Seite zu fahren. Mit Vollgas und Augen zu einfach mal drauf los. - Ich weiß noch nicht recht mit dem Mietauto umzugehen der Andere meint warum immer ich, soll doch der andere. - Ein paar Kratzer tragen der Schönheit der Autos hier sowieso bei. Der Sonnenuntergang wartet schließlich auch nicht… - Es ist alles gut gegangen. Vor mir liegen die Klippen im gelb-roten Sonnenuntergang. Die neue Brücke haben sie bereits mit Scheinwerfern beleuchtet.
    Read more

  • Day 4

    Vom Schaftreiber- zum Königsweg

    April 6, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 6 °C

    Spanien ist ein weites Land. Es verwundert nicht dass im Zug der Industrialisierung überall Eisenbahnen gebaut wurden. Überall. Das heißt auch an den unzugänglichsten Orten sagte man sich mittendurch statt nur drum herum. Einer dieser Orte ist für Tagesausflügler ein beliebtes Ziel im Norden der Provinz Màlaga. Irgendwann in rauer Vorzeit drückte Afrika auf Europa und das Meer hob sich. Je nach dem wie sich der Untergrund nun faltete entsanden bizarre Felsengebirge oder der Stein machte kurzen prozess und stellte sich von waagerecht einmal vollständig senkrecht diesem Afrika in den Weg.
    Dabei ließ sich die Natur eine kleine Hintertür offen. Seit Millionen Jahren schneidet ein Fluss dieses Gebirge in zwei Teile. Damit entstand ein günstiger Weg für Jäger und Hirten. Später folgte die Eisenbahn und mit der Erschließung eines unweiten Stausees kam selbst der König über diesen Weg angereist.

    Der Königsweg erhält seinen Namen zu Recht wie ich finde. Es erfordert allein schon Disziplin bis an den Weg zu gelangen. Er protzt nur so mit Eindrücken wenn man im Fels hängt, die sonst wohl nur die Geier der Lüfte haben. Und selbst wenn es kein zurück mehr gibt, wird jederman reich beschenkt!

    Während ich mir dachte frühes Aufstehen sichere die besten Plätze geht es weit vor Sonnenaufgang los. Der stetige Wechsel von Fels und Olivenbäumen und sonst nichts ist beeindruckend noch ein wenig im Nebel verhangen. Diese mystische Morgenluft ist was feines. Das hat jäh ein Ende als die Parkplätze für den Wanderweg beginnen.
    Da sind wir scheinbar die Letzten. Die Leute werden mit unzähligen Bussen hergebracht. Das wirkt jedoch um so weniger real da uns auf den letzten 50 km kein einziges Auto begegnet ist geschweige denn ringsum keine einzige Straße überhaupt kaum groß genug für einen Bus ist. Wir finden noch einen letzten freien Paltz vor der Wendeschleife und dem dann folgendenen überaus großen "Nichts" ringsherum. Daneben steht ein Camper. Und nachdem wir dreimal umrangiert haben ist der Camper ebenfalls wach. Der Mann indes muss sich ganz tief erden. Sein Joint ist weitaus kräftiger als der Morgennebel. Somit ließen wir ihn mit seiner tristen Stimmung allein und waren bald auf dem Weg.

    Während man im Gebirge bekanntlich immer hoch will verläuft der Weg gemächlich bergab. Am Wegrand blüht bereits der Affodil und die Vögel geben ein herrliches Konzert. Der Fluss im Tal schien noch zu schlafen und schlängelt sich ohne jede Welle durch dichten Wald. Vor einer massiven Felswand wurde das jäh anders. Im nächsten Moment blicken wir hinab auf einen reißenden Fluss der tief unter uns in eine Schlucht eingeklemmt ist. Von hier verlief der Schmugglerpfad quer durch das Gebirge anstatt darüber. Wir sind angekommen. Über drei Kilometer zwängt sich der Weg an jeder kleinen Felsnadel vorbei während die Tauben im Fels nur einen Flügelschlag entfernt brüten. Sie fühlen sich hier sichtlich wohl und sicher. Angesichts dass am Himmel unzählige Geier kreisen gar nicht so leicht für Mutter Natur.

    Was sag ich, diese Tour ist einfach grandios. Ein alter Kanal dient hier und da als Weg um sicherer voran zu kommen. Wenig vorher und auch später hängt der Pfad wieder über hundert Meter über der Schlucht. Durch die Planken lässt sich noch ein älterer bröseliger Betonweg erahnen. Für zwölf Jahre war der Weg wegen Baufälligkeit gesperrt. Ja, da wäre selbst ich nicht lang gelaufen. Das ganze Ausmaß zeigt sich jedoch erst auf dem Rückweg. Wie die Ameisen hängen die Menschen senkrecht am Fels. Es ist unvorstellbar wie früher der Hirte und und später der König seine 'Schafe' über den alten Weg getrieben hat. Dessen Felsen stehen bis in ferne Ewigkeit als Wächter in eine völlig andere Welt.
    Read more

  • Day 4

    spanischer Barock trifft Steinzeit

    April 6, 2022 in Spain ⋅ ☁️ 12 °C

    Nach so viel Euphorie am Morgen ist es Zeit für eine Auszeit. Nicht weniger dramatisch geht es kurzerhand über den Berg nach Antequera. Es wird immer beschrieben dass der Reisende hier eigentlich nur auf der Durchfahrt an irgendein anderes großartiges Ziel vorbei kommt. Doch wer nie eine Pause einlegt verpasst einfach auch mal am meisten! Die Stadt wurde bereits in der Bronzezeit besiedelt. Davon zeugen heute zwei Großsteingräber bei deren Wiederentdeckung um 1900 die Knochen von mehreren hundert Menschen gefunden wurden.
    Ebenso Kult wie die Großsteingräber in der Vergangenheit ist heute vielmehr der spanische Kakao. Ich habe ja erst voriges Jahr in Kilchberg (Schweiz) gelernt welche Entwicklung der Kakao durch die Spanier tatsächlich von der Medizin hin zum Kultgetränk gemacht hat. Selbst als Tütenkakao schmeckt er zehnmal besser als alles was in Deutschland mit Zucker aufwendig löslicher Kinderkakao vermarktet wurde der in der Milka drin steckt. Nur wo bekomm ich in dieser Stadt nun Kakao her? Es ist zwischen drei und Vier am Nachmittag. Die meisten Cafés sind stark verwaist. Ich finde zum Teil nicht mal einen Kellner. Und wenn doch serviert dieser nur Kaffee. Kein Kakao? Geschweige denn Kuchen? Wo bin ich den hier gelandet? 'Ja wenn du Kuchen willst musst du in die Bäckerei gehen. Die haben bestimmt auch Kaffee oder Kakao.' Gesagt getan. Von nun an werden die Bäckereien dieses Landes mein uneingeschränktes Ziel um der Mittagssonne zu entkommen. Zumindest hier in Antequera wird am Tisch auch schon mal für ausreichend Erleuchtung gesorgt.
    So erkunde ich zuerst die Stadt. Es wurde sehr viel dafür getan zu restaurieren und zu erhalten. Über 30 Kirchen sind innen wie außen prächtig dekoriert. Im blauen Blütenmeer überstrahlt die Burg weithin die ganze Stadt. Es ist ein Vorgeschmack was in den nächsten Tagen folgen kann. Das Landesinnere hier in Andalusien war stets hart umkämpft von dem vorherrschenden Glauben an Gott, Ala und all die anderen Geistlichen in deren Namen man einen Krieg führen kann. Von besonderer Bedeutung sind dabei immer wieder schon die Römer und später die Mauren. Sie brachten herrliche Mosaiken in die Region. Auch heute werden immer wieder neue wiederentdeckt und ausgegraben.

    Schneller als mir lieb ist ereilt mich die Qual der Wahl. Das Wetter weiß noch nicht ob es heute mitspielt oder nicht. Also lieber noch die Steinzeit Dolmen besuchen die ja mittlerweile auch zur UNESCO gehören. Oder hoch hinauf in den Paraje Natural Torcal de Antequera, ebenfalls UNESCO und gleichwohl übernatürlich wie die Leistung zum Bau der Großsteingräber. Jedoch so bizarr, dass nur die Natur das hin bekommt. OK, ab auf den Berg, auch unter der Gefahr dass wir gar nichts sehen, denn der Berg ist wie ein Vulkan vollständig in eine Wolke verhüllt. Warum jedoch gerade hier über 12km ² Kalkstein scheibchenweise auf einem einzigen Punkt im ehemaligen Ur-Meer aufgeschichtet wurde bleibt schwer zu erklären. Die Welt ist so ganz anders hier. Es gibt kaum überhaupt schon Frühblüher. Durch den Nebel erscheint anfangs überhaupt fast alles im Winterschlaf. Doch wenn Engel reisen hat das Wetter ein Einsehen. Je tiefer wir in diese bizarre Welt eintreten desto neugieriger bin ich auf mehr. Vereinzelt kommen uns erschöpfte Besucher in schlammigen Turnschuhen entgegen. Ein jeder meint es ist weit, nass und dreckig. Ja deshalb kommt man in der Regel auch nicht mit weißen Turnschuhen auf den Berg. Steinbock müsste man sein. Die springen einfach von Stein zu Stein und kämen gar nicht auf die Idee sich die Füße schmutzig zu machen. Tatsächlich gibt es sie hier oben auch. Sie leben wild, sind jedoch unbeeindruckt von ein paar wenigen Wanderern. Und das ist unser Glück! Ein halbe Stunde kann ich einfach nur da sitzen und den Steinböcken beim Spielen zuschauen. Derweil kämpft sich die Abendsonne heraus. Und irgendwann wird es Zeit die Bande zu verlassen. Ich bin fasziniert doch im Dunkeln würde ich hier nie wieder herausfinden.
    Read more

  • Day 5

    Die Hippies von las Alpujarras

    April 7, 2022 in Spain ⋅ ☀️ 9 °C

    Über Nacht wird das Wetter schlagartig besser. Wenigstens einmal erlebe ich die Costa del Sol damit zum Sonnenaufgang. Mit großen Kinderaugen freue ich mich nun auf das Spanien wie ich es bereits vor etlichen Jahren erleben durfte. Sonne, Strand und das Meer. Dabei will ich das Meer heute eigentlich hinter mir lassen. Aber wenn schon Sonne da geht es von Málaga entlang der Küste erst noch einmal zum Strand. Was wäre es für eine Verbindung zur Natur wenn nicht wenigstens einmal die Füße und Hände das Mittelmeer berührt haben? Gleichwohl kann man sagen ich holte mir den Beistand für das was kommt.
    Kurz nach der Küste verlieren sich die Pfirsich-Plantagen. Die Südflanke der Sierra Nevada ist im Sommer heiß, trocken und sehr karg. Tiefe Schluchten und ein Gewirr aus Tälern ziehen an der Straße vorbei. Das einzige Wasser das hier fließt ist geschmolzener Schnee. (?) Ja, richtig. In Spanien liegt im April noch mehr Schnee als in ganz Deutschland. Daher hat das Gebirge auch seinen Namen. Und mancher kennt die dürren Hänge. Die Terrassenförmig angelegten Acker. Und die malerischen weißen Dörfer, die sich an die grünen Hügel klammern. Doch dazu muss man hoch hinaus bevor das letzte Wasser mitten am Berg einfach verdunstet. Die Dörfer waren gleichermaßen strategisch günstige Zufluchtsorte für die arabischen Mauren die der Eroberung Granadas durch die Christen entkommen sind und dienen heute als Zufluchtsort für Auswanderer, Seelensucher und langzeitreisende Aussteiger.

    Die Gassen sind so eng dass die Autos selbst heute noch von Maultieren abgelöst werden. An den steilen Hängen spielen die Ziegen und stetig kreisen die Geier über meinem Kopf. Das Auto kämpft sich bis nach Capileira. Es ist das höchstgelegene weiße Dorf in der Poqueira-Schlucht. Der arabische Einfluss zeugt an jedem Haus. Aus nächster Nähe sind diese Dörfer ein Lehrbuch des großen Einfluss der Berber mit ihren Flachdächern und daraus hochaufragenden Schornsteinen. Auch sonst wird das Handwerk mit Leder, Webstoffen und Kachelarbeiten traditionell gelebt. Der Spaziergang führt hinab in die Schlucht und später wieder hinauf zurück zum Dorf. Es fasziniert mich welche Anstrengungen hier gemacht wurden den Boden zu terrassieren und fruchtbar zu gestalten. Gleichzeitig bietet sich der erste grandiose Ausblick auf den Mulhacén und den Veleta, die höchsten Gipfel Spaniens.

    Mit aller Macht will nun auch hier oben der Frühling Einzug halten. Da in einem weißen Dorf nicht sein kann was nicht sein darf geht es natürlich überhaupt nicht dass im letzten Monat ein mächtiger Sahara-Sturm über Teile Andalusiens hinweg gefegt ist. Seitdem sind die Wände rot. Aber der Mensch weiß sich ja zum Glück zu helfen. Man nehme einen wackeligen Gabelstapler, da für alles breitere kein Platz in der engen Gasse ist. Aus Paletten baut man eine noch wackeligere Plattform. Und dann geht es der Hauswand mit dem Kärcher an den Kragen. Wehe es regt sich bei uns noch einmal jemand auf wenn die Frau ihn zum Putzen anstellt damit alles schön aussieht wenn die Gäste kommen. =)
    Read more

  • Day 6

    Platzangst

    April 8, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 18 °C

    Granada muss warten. Die Anfahrt zu unserer neuen Unterkunft gestaltete sich abenteuerlich und reichte dann auch bis kurz vor Mitternacht. Die Adresse gab ich so genau wie möglich in die Navigation ein. Für Spanien ist das aber eben nicht genau genug. Zuerst einmal kurz nach zehn am Abend quer durch das Dorfzentrum. Es ist gerade dunkel geworden. Die Spiegel einklappen, dann fährt es sich leichter. Plötzlich tauchen vor uns zwei Gauchos auf und treiben ihre Pferde durch die enge Gasse. Nachher einmal das Auto im rechten Winkel um die Ecke 'tragen' dann sind wir gleich da. Denkste. Die Unterkunft heißt so ähnlich, aber diese hier hat noch nicht mal geöffnet. Der zweite Versuch ist natürlich am anderen Ende des Dorfes mit den engen Gassen. Die Zufahrtsstraße ist noch mal ein ganzes Stück schmaler und führt steil durch den Weinberg. Volle Konzentration und dann sagt mir doch ein Gast dieser Unterkunft - nein die heißt zwar so ähnlich, aber eure ist da oben auf dem Berg! *juhu* Also wieder zurück durch den Weinberg. Zwölf Serpentinen und einen weiteren Gaucho später ist es Stockfinster. Die Beleuchtung der Zufahrt zur Unterkunft wirkt wie die Landebahn am Flughafen die es zu treffen gilt. Doch nach der Landung ist die Puste sichtlich raus. Der nächste Tag soll ein Ruhetag werden. Ein, zwei Spaziergänge. Mehr nicht.

    Die Region Los Cahorros bietet sich dafür bestens an. Es liegt unweit von Granada in Monachil. Fantastische Wege führen durch eine dramatische Felsschlucht. Der Weg war ursprünglich wieder einmal nur zur Wasserversorgung angelegt. Los Cahorros ist außerdem ein beliebtes Klettergebiet. Da verwundert es auch nicht dass die große Schlucht auf mehreren Hängebrücken vorbei an überhängenden Felsen überwunden wird. Zum Teil kommen wir nur mit Kriechen vorwärts. Und dann gibt es ja immer auch Wanderer die so eine Schlucht in der entgegengesetzten Richtung begehen. Irgendwann muss definitiv heute irgendeiner in den Fluss und schwimmen. Für die Strapazen belohnt später die weite Macchia. Auf freien Wiesenflächen kann man dösen und die Seele baumeln lassen. Und auch der Rückweg ist ebenso spektakulär. Leider brennt jetzt gnadenlos die Sonne. Verbrennungen sind nach so viel schlechtem Wetter in den letzten Tagen eigentlich nur eine Frage der Zeit. Während wir nun direkt oberhalb der Schlucht laufen bieten sich nun auch noch einmal grandiose Aussichten auf die Kletterer. Und wem das nicht reicht, der dreht sich um und schaut zum Abschied nochmal auf die verschneiten Gipfel.

    Damit man die Höhe aber nicht immer so dramatisch wahr nimmt habe ich für den Nachmittag die Idee für einen Spaziergang auf dem Altiplano von Guadix. Der Ort ist heute eine lebendige Provinzstadt und ein Museum zugleich. Über Andalusien hinaus ist die Region berühmt für seine Höhlenwohnungen, von denen viele noch von Einheimischen bewohnt werden. Durch den Bergbau hat man in dieser Kargen Ödnis eine Tugend gemacht. Wenn man sich über Tage sonst nicht schützen kann baut man den Schutz eben unter Tage aus. In kleinen Gewölben kam so oft eine stattliche Wohnung mit Aufenthaltsräumen, Arbeitszimmer, Küche, Schlafzimmer, Vorratskammer und Stall zusammen. Höhlenbergmann war zu dieser Zeit ein angesehener Meisterberuf. noch in den 70er Jahren lebten mehr als 45.000 Menschen in der Provinz in Höhlen. Es ist ihnen auch nicht zu verachten. Wer will hat eine schöne Terrasse oder einen Garten um den er sich neben der Arbeit kümmert. Und sonst hat so eine Höhle mehr Lichteinfall als man auf den Moment denken möchte und ist stets gut klimatisiert. Die Temperaturen schwanken so gut wie gar nicht über das Jahr. Gerade in den heutigen Zeiten eines Ölembargos ist so eine Energieeffiziens von unschätzbarem Wert. Ich bin erstaunt, dass die Höhlen erst seit diesem Jahr unter Denkmalschutz stehen. Vorher durfte jeder graben wie er wollte und einige Höhlen kostete das auch den Rest.

    Vor dem Höhlenviertel treffe ich auf eine sehr schöne intakte barocke Altstadt ganz im Zeichen des Sandsteins. Der Tourismus ist fast vollständig hier vorübergegangen. Wem das heute gelingt, der hat ein hohes Gut. In Spanien bereitet man sich derweil auf das Osterfest vor und wetteifert die Pasos, die Tragen mit den Stationen Christi fulminant zu schmücken. Je aufwändiger desto besser. Zumal ich so viele Anzugträger ebenso wenig je in einer Kirche erlebt habe.

    Nach so viel Platzangst wie heute geht es zum Abschluss nach Calahorra. Das Dorf bildet den Zugang zur weitläufigen nördlichen Sierra Nevada und wird jäh bewacht von einer schmucklosen wenngleich wuchtig-majestätischen Burg. Das Ziel war es den Sonnenuntergang in all seinen Farben zu sehen. Für eine Besichtigung sind wir einfach wieder zu spät. So bleibt uns ein eleganter Innenhof oder auch eine großartige Marmortreppe verborgen. Doch die Abendstimmung, diese schier ewige Weite über die nächsten Berge hinaus und ein tiefes Rot später in den Wolken können nicht lügen dass dieser Ort einen magischen Ausblick bietet.

    Unterdessen steuert der Weg auf seinen nächsten Höhepunkt zu.
    Read more

  • Day 7

    Die Rote Festung

    April 9, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 13 °C

    Lange ersehnt weil viel davon gehört und mir nun endlich selbst ein Bild gemacht. Oder auch Zweihundert? In Kurzform beschreibt es den heutigen Vormittag zu Besuch in jener Stadt die Andalusien als Provinz kulturell maßgeblich wiederspiegelt. Wer Granada auf einer Tour durch Andalusien auslässt war zumindest früher schon einmal hier gewesen oder er weiß gar nicht warum er überhaupt nach Andalusien reisen sollte, warum er überhaupt hier ist! Dafür gibt es einfach zu Vieles was ich zwingend mit Südspanien verbunden hätte. Es gibt jedoch auch jede Menge Überraschungen.

    Gerade erst habe ich mich aus dem Bett gepellt und spanisches Frühstück mit Tostados, Olivenöl und Tomaten genossen. Nun sitzt mir die Zeit schon wieder im Nacken. Leider kann ich es überhaupt nicht ausstehen wenn man gezwungen ist ein Ticket Wochen im Voraus für eine definierte Stunde zu organisieren weil sonst gefühlt die halbe Welt zu Gast in Spanien zur gleichen Zeit an den gleichen Ort will. Mit mehr Glück als jeder uns zugestehen würde bekommen wir den letzten freien Parkplatz an der Straße im Umkreis von vier Kilometern. Von hier an geht es ruhig aber fest entschlossen mit schnellen Schritten Bergauf so dass die 'Reisegruppe' hier und da aus der Puste gerät. Je näher wir der Alhambra kommen desto mehr nehmen auch die Besucher zu. Wenn das so weiter geht mache ich heute Abend drei Kreuze. Kaum habe ich den Park durch ein Seitenportal zur Roten Festung hin verlassen, schon bin ich nicht nur mitten in der Festung drin sondern scheinbar gleichzeitig in einer Parallelwelt. Menschenmassen! Überall Trubel, Warteschlangen, umher eilende Menschen, Guides deren Gruppen über hundert Meter verstreut hinterher trottet und eigentlich gar nicht mehr mitbekommt über was da vorne gerade gesprochen wird. Dazwischen auch immer wieder Händler und Handwerker wie zum Beispiel ein Intarsien-Setzer. Es geht zu wie auf einem Mittelalterlichen Jahrmarkt.

    So hektisch und wuselig ging es auf der Alhambra aber scheinbar schon immer zu. Die Festung wirkt von außen nicht sehr viel prunkvoller als die von Gestern in Guadix wenngleich sie hoch über Granada thront und weitaus mehr zu bieten haben soll um die Besuchermassen zu rechtfertigen. Die Alhambra gilt als Liebesbrief an die Maurische Kultur. Allein das ist schon wieder einzigartig, denn wo sonst kommen eine arabische Kultur, ja überhaupt die arabische Architektur so eng zusammen mit Schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund. Und wie oft wurde sie umgebaut um es jeweils den Herrschern einer jeden Kultur Recht zu machen. Auf dem kleinen Berg machen sich mittlerweile drei Burgen und Paläste gegenseitig den Platz streitig und dazu noch ein riesiger Garten.

    Ich finde die Art des Stucks, das Dekor an den Wänden, die ganzen Marmor- und Fliesenarbeiten und vor allem immer wieder die Geometrie im Raum faszinierend. Eine eingehende Beschreibung möchte ich mir jedoch sparen. Dafür gibt es Reiseführer und weitere große Literatur. Ebenso viele Herrscher und Könige hat die Festung erlebt. Die Emire bauten gleich für mehrere Anlässe je einen feinst verzierten Palast als Teil der heutigen Nasrid-Paläste. Zur Gerichtsbarkeit in der Öffentlichkeit, zum Empfang von Botschaftern, quasi ihr eigenes Wohnzimmer und nicht zuletzt den Palast der Löwen. Schier undenkbar fand ich auch dass die Wasserversorgung der Gärten, der Brunnen und aller Wasserspender in der Festung noch heute durch Viadukte aus den Umliegenden Gebirgen gespeist wird. Die Festung ist mittlerweile über 1100 Jahre alt aber sie hat sicher nicht an Glanz verloren. Gleich nebenan in der Zitadelle errichtete man 1492 nach der Rückereroberung durch die Christen ein Kreuz und hisste die Banner der Reconquista.

    Und als wären die häuslichen Nachbarn hiervon völlig unbeeindruckt entwickelte sich gleich unterhalb der Burg das wohl belebteste muslimische Viertel in ganz Spanien. Hier wird gekauft und gehandelt. Man sitzt heute ebenso auf der Straße und lauscht dem Flamenco. Alles was in den Häusern und Familien stattfindet bleibt jäh hinter verschlossenen Türen. Das ist Teil ihrer Kultur. Und so begnügen wir uns an diesem Tag mit dem wohl berühmtesten Blick von gegenüber auf die Alhambra mit Bergen im Hintergrund. Der Mirador San Nicolas ist ein wunderbarer Platz zum Verweilen wenn abends einmal die ganzen Menschen weg sind... Doch so lang nehmen wir uns nicht die Zeit.

    Auf dem Weg zurück ins Zentrum wollen wir der Nachmittagshitze entgehen und landen prompt im nächsten Highlight. Zumindest meine Karte meint hier gibt es was Tolles zu Essen und zu trinken. Irgendwie war bleibt einem dann doch nicht jede Tür verschlossen. Jedoch anstatt nach einem Café zu suchen landen wir in einer sogenannten 'Theteria'. Es ist brauch dass man einen Tee und gerne auch eine Kleinigkeit zu Essen bestellt. Doch nachher gibt es keinen Stuhl. Eine Treppe führte uns ins Obergeschoss. Vom Tisch werden kurzerhand die Tischbeine weg gelassen und anstatt der Stühle gibt es nur die Sitzkissen. Willkommen in der Wohlfühl-Oase. Hier hoch über den Dächern von Granada Platz zu nehmen ist fast schon ein Privileg. Viel Platz hat man indes nicht aber das stört ja wohl in so einem Moment am wenigsten.
    Read more

  • Day 8

    glänzende Aussichten

    April 10, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 10 °C

    Nach so viel Städtetour will ich mir noch einmal die Sierra Nevada anschauen bevor es am nächsten Tag vielleicht schon weiter geht. Schnee hatte ich in diesem Winter zur Genüge. Dennoch bleibt der Schnee in Spanien etwas Besonderes. Unsere Herbergsmutter gibt uns ein paar Tipps auf den Weg wo man auf einer Halbtagestour ein herrliches Panorama auf die umliegenden Berge genießen kann. Und weil denn Nebensaison ist - fast ziemlich ganz allein. Den Nachmittag haben wir gestern bereits kurzfristig verplant.

    Über enge Straßen geht es immer weiter die unzähligen Serpentinen und Haarnadelkurven hinauf. Auf einem Plateau parken bereits ein paar wenige Autos. Während wir unterwegs sind passt derweil eine Herde Kühe darauf auf. Vielleicht sind das nicht die besten Wachmänner. Wenn nebenan Gras wächst vergessen sie alles. Aber es sind die einzigen weit und breit. Und ich muss schon sagen, wenn man ankommt wird man von allen eingehend gemustert. Wehe jemand macht da eine falsche Bewegung.

    Der Weg ist leicht zu finden und verläuft über Kilometer genau auf einem Bergrücken. Links das unendlich weite Altiplano bei glänzendem Sonnenschein. Rechts die noch einmal 1400m höheren Berge der Nevada-Kette bei glänzendem Schnee. Und als ob das nicht schon Belohnung genug wäre stehen wir bald selbst im Schnee mittendrin. Der Altschnee ist jetzt sehr sulzig und bietet wenig Trittsicherheit. Doch zum Glück geht der Weg ja auch nicht wirklich steil. Der kleine Gipfel des 'Cerro del Mirador Alto' der 'Hochgelegene Ausblick' wird alsbald unser Ziel. Schöner wird es auch nicht wenn man noch tiefer in den Schnee hinein geht finde ich. Bei mittlerweile erschwerten Bedingungen müssen wir auch dreizehn Kilometer nicht nur hin sondern auch wieder zurück. Eigentlich darf ich gar nicht davon schreiben dass es Leute gibt die hier dann auch noch Steine sammeln weil hier mal die Farbe und dort mal die Maserung schön ist. Und dass das nicht dem Zeitplan zuträgt erklärt sich von selbst. Doch was tun? In der glänzenden Sonne will ich selbst keinen Endspurt hinlegen. Mittlerweile habe ich eindeutig zu wenig getrunken. Die Füße tragen schwer doch das Ende ist noch fern...

    Ungefähr das gleiche könnte Christus seiner Zeit gemeint haben wenn er seinen letzten Weg zu Lebzeiten beschritten hat. Bis heute ermuntert seine bloße Anwesenheit die Menschen zu Trost, zu Freude und mit Zuversicht für alles Zukünftige. Und so begehen die Spanier besonders hier in Andalusien bekanntlich ihre Osterprozessionen mit all den Leidenststationen Christi noch bis Karfreitag. Für heute Abend haben wir uns nun die in Granada einmal näher vorgenommen.

    Wieder einmal finden wir einen Parkplatz gerade noch im Endspurt. Soweit uns die Füße tragen geht es schnellen Schrittes nach dem Zentrum wo in den Gassen überall bereits Campingstühle und Menschentrauben stehen. Das Rote Kreuz baut indes noch seine Zelte auf und so bleibt am Ende doch noch ein ausgiebiges Kaffeetrinken mit Kuchen. Glänzend! Der Tag ist gerettet. Was keiner Ahnt, die Prozession ist heute etwas größer und geht etwas länger. Deshalb baute sich wohl auch das Rote Kreuz auf. In den folgenden vier Stunden ziehen unzählige reich geschmückte Pasos, Kapuzenträger, Kerzen und Weihrauch an uns vorbei. Der Platz war indes günstig gewählt da in einer Kurve alles ein bisschen langsamer läuft und den Blick perfekt auf das Geschehen preisgibt was da kommt. Auch wenn wir uns gemeinsam mit vielen anderen die Beine in den Bauch gestanden haben und Kaffee mit Kuchen weisgott nicht bis Mitternacht den Magen füllen lohnt jeder Moment dabei zu sein.
    Da wird hier mal mit Weihrauch geräuchert bis der Schlot qualmt. Dort gehen beim Absetzen stetig die Kerzen aus. Nachher kommt jemand mit der Leiter daher und zündet jede einzelne wieder an. Die Träger der Pasos werden regelmäßig ausgetauscht und kommen schweißgebadet durch die Menschenmenge wo sie reichlich Beifall und Zuspruch von den Schaulustigen erhalten. Zum Teil laufen die Kinder ihr allererstes Mal mit glänzenden Augen. Überhaupt finde ich das Schönste dass auch die Kinder ganz toll mitmachen und so einen Bezug entwickeln diese Tradition fort zu leben. Glänzende Zeiten also!
    Read more

  • Day 8

    glänzende Aussichten (Fortsetzung)

    April 10, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 20 °C

    Auf einem Straßenschild finde ich im Hintergrund einen Richtungszeiger nach La Paz. OK, das ist vielleicht nicht mehr ganz Andalusien. Gleichzeitig wären es doch aber glänzende Aussichten jetzt wieder dem Ruf nach Westen zu folgen. Andalusien hält noch viel für uns bereit.

    Zuvor jedoch begehen wir ein großartiges Mal mehr den Leidensweg Christi auf eine festliche Art und Weise.
    Read more